Tafelladen richtig und nötig

Die Hornberger AWO-Vorsitzende Henriette Haas berichtet über ihre Erfahrungen

Um die 200 Ausweise für Bedürftige hat die Hornberger AWO seit Eröffnung des Tafelladens in der Leimatte Ende 2012 bereits ausgestellt. Ein
Ende ist nicht in Sicht, berichtet die Vorsitzende im Rahmen unserer einwöchigen Serie zur Armutswoche.

»Es kann jeden treffen!«, das ist vielleicht das Wichtigste, das Henriette Haas, umtriebige Hornberger AWO-Vorsitzende im Rahmen der
Armutswoche mit auf den Weg geben will. Niemand ist vor Krankheit oder Jobverlust gefeit, denn das sind sehr oft die Gründe, die über kurz oder lang in die Armut führen können. Vielschichtig sind die Erfahrungen, die Henriette Haas und ihr engagiertes Helferteam seit der Eröffnung des Tafelladens Ende 2012 gemacht haben. Nicht immer geht alles reibungslos und stoßen die Helfer an manchen Tagen an ihre
Grenzen, das möchte sie auch gar nicht verschweigen. Aber – »der Tafelladen war die richtige Entscheidung – und ja, er ist unbedingt nötig«, sagt sie. Die anfänglichen Bedenken, ob solch ein Angebot überhaupt gebraucht wird, sind schon lange vom Tisch. Es wird, und wie!
Dabei geht es gar nicht darum, dass der Tafelladen irgendwann einmal zu einem »Vollsortimenter« werden sollte, sondern dass die Kunden
mit diesem Zusatzangebot »über die Runden kommen«. Rentner, Alleinerziehende, Arbeitssuchende, Asylbewerber und eine große Gruppe an Erwerbsunfähigen gehören zum Kundenkreis. Gerade die Schicksale mancher Erwerbsunfähiger, darunter oft junge Menschen, beschäftigen Henriette Haas. »Man sieht es ihnen ja nicht unbedingt an, doch die Sorgen kratzen gewaltig an ihrer Seele«, weiß die engagierte Vorsitzende. Und sie weiß genauso gut, wie sich so eine Situation neben dem Decken nötiger Bedürfnisse wie Wohnen und Essen
lindern lässt: mit Respekt, Zuspruch und menschlicher Wärme. Oft, so sind die Erfahrungen, sind die Kontakte fast wichtiger als der Einkauf. »Was vergeben wir uns denn mit ein bißchen Freundlichkeit? Doch nichts!« Und manchmal kommt eine Dankbarkeit zurück, die fast
betroffen macht: Etwa dann, wenn einer der Kunden den verdutzten Mitarbeiterinnen einen Apfel aus seinem Einkauf schenkt oder aus dem gespendeten Blumenstrauß mit den welken Köpfen eben die eine noch schöne Blume zieht, um damit danke zu sagen – weil es ihm
auf andere Art und Weise unmöglich ist. Ein weiteres Beispiel ist der Asylbewerber, der kürzlich seine Mitarbeit im Tafelladen anbot. Da er nicht nur nehmen, sondern sich einbringen und selber etwas Nützliches tun will. Das sind Momente, die Henriette Haas immer wieder
Kraft und Antrieb sind, weiterzumachen, denn vom Umfang der Arbeit wird das Team förmlich »überrollt«. Hemmungen blockieren
Etwa 200 Ausweise für Bedürftige sind derzeit ausgestellt und ein Ende ist nicht in Sicht. Ausdrücklich ermutigt sie auch all diejenigen, die bisher Hemmungen haben, den Schritt in die Tafel zu wagen, diesen endlich zu tun. Bei den Asylbewerbern, aktuell 36 Familien, stehen rund 100 Kinder dahinter, deren Armut Henriette Haas ebenfalls nicht loslässt. »Im November 2013 kamen die ersten«, informiert sie über den derzeitigen enormen Anstieg. Die Sprachbarrieren seien ein riesiges Problem. Das Team wünscht sich vor allem mehr Unterstützung in Form
von Übersetzungen. »Viele wissen ja überhaupt nicht, wie ein Tafelladen funktioniert und dass es sich um abgelaufene Artikel handelt«, erläutert sie. Hier haben die ehrenamtlichen Mitarbeiter sehr oft erst einmal Aufklärungsarbeit zu leisten – neben dem normalen Betrieb
versteht sich. In solchen Fällen ist Henriette Haas nicht nur einigen Schülerinnen dankbar, die zur Unterstützung immer wieder
kommen, sondern auch dem Englischs prechenden Tafelladen-Kunden. Dieser hat speziell für die Kommunikation seine Mithilfe angeboten. »Sie wissen es einfach zunächst nicht besser, deshalb muss man es ihnen erklären, aber es sind alles Menschen«, gibt Henriette Haas zu bedenken. Natürlich bekommt sie die Diskussionen im Städtle und so manche Vorbehalte mit: Nur – ist jemand, der anders aussieht,
spricht oder kocht automatisch gleich der schlechtere Mensch? »Wie würden wir uns in der Fremde fühlen?«. Henriette Haas bedauert, dass man sich nicht mehr aufeinander einlässt, um sich persönlich und die andere Kultur besser kennenzulernen. Beim Miteinander stellt
sich das reiche Deutschland offensichtlich zunehmend selber ein Armutszeugnis aus. Integration über Mithilfe »Es gibt die schwarzen Schafe,
und zwar quer durch alle Nationalitäten – die Deutschen sind da keine Ausnahme«, hat diese Erfahrung die Hornberger Tafel bereits hinter sich. »Klare Ansagen sind wichtig, die schon mal energisch und deutlich ausfallen können und dürfen«, sagt Henriette Haas. Morgen nimmt sie in Stuttgart an einem Treffen des Landesverbands der Tafeln teil. Sie verdeutlicht, wie immens wichtig solche Termine sind. Hier gibt es Tipps und Anregungen, alle haben ähnliche Sorgen und Probleme. Und es wird ferner tatsächlich darum gehen, wie Asylbewerber,
die mithelfen wollen, eingesetzt werden können: Eine bessere Art der Integration dürfte es wohl kaum geben.